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Das "Unterharzer Teich- und Grabensystem
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Zentren des Unterharzer Bergbaus waren "Straßberg", in der Grafschaft "Stolberg-Stolberg" und "Neudorf" im
benachbarten Fürstentum "Anhalt-Bernburg". Es wurden unter anderem silberhaltiger Bleiglanz, Pyrit, Kupferkies und
Zinkblende abgebaut. Das Straßberger Bergbaurevier befand sich im Einzugsgebiet der "Selke", dagegen war das Neudorfer
Revier unterteilt. Es lag mit seinem "Birnbaumer Revier" und dem "Fürst-Victor-Amadeus-Schacht" im Selkebereich und den
Schächten am "Meiseberg" und "Pfaffenberg" an der obersten "Wipper".
Ab dem Beginn des 17. Jahrhunderts entstand, über etwa 300 Jahre hinweg, zwischen "oberer Lude", "Großem Auerberg",
"Straßberg", "Neudorf" und "Silberhütte" ein Teich- und Grabensystem. Es ist auf der Landkarte durch eine Häufung von
Teichen gekenn- zeichnet. Die dazu gehörigen Hanggräben sind dann allerdings erst bei Wanderungen im Gebiet sichtbar. Sie
liegen jetzt auch meist trocken. In den Tälern finden lassen sich viele Stollenmundlöcher der ehemaligen Wasserlösungsstollen finden.
Auffallend ist der etwa 25km, West nach Ost verlaufende Graben der ab 1904 "Silberhütter Kunstgraben" heißt.
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Bild aus:Der Harz 17/18 1987
Zur Erläuterung
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Das Einzugsgebiet der "Thyra", die "obere Lude", wurde im 18. Jahrhundert an das bestehende System angeschlossen.
Die ältesten wasserbaulichen Anlagen findet man im "Rödelbachtal" bei "Straßberg". 1610 werden schon der "obere Rödelbachgraben
(Hanggraben), die Dorfrösche (unterirdischer Wasserlauf), der "Gräfingründer Teich" und der "Untere Kiliansteich genannt.
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Das Mundloch einer "Rösche" und ein Blick hinein der Pfeil zeigt den ehemaligen Lauf des Wassers
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Der "Gräfingründer Teich" (links) ist heute noch erhalten. Die beschriebenen
Anlagen dienten im 15. und 16. Jahrhundert der Wasserhaltung in den Schächten, der Kraftwasserversorgung der Erzaufbereitung und
Weiterverarbeitung und auch zur Hauswasserversorgung von Straßberg. Ein Silberhütte wird schon 1462 genannt.
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Die ältesten Anlagen im "Anhaltinischen" stammen aus den Jahren 1696/97, als der "Teufelsteich" und der "Fürst-Victor-Kunst- graben"
im "Tefelsgrund" gebaut wurden (rot- der Verlauf am Fürst-Viktor-Stollen). Der Kunstgraben brachte das Aufschlagwasser zur Radstube im Tal, wo das Feldgestänge für den
"Fürst-Victor-Amadeus-Schacht" angetrieben wurde. Die gehobenen Grubenwasser flossen durch den "Fürst-Victor-Stollen" (links im Bild)
als zusätzliche Wasser in den Graben. Dieser Stollen wurde etwa 1800 durch den, von der Selke heran getriebenen tiefer liegenden
"Kies- schachtstollen" ersetzt".
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Erst 1691 wurde der Straßberger Silbererzbergbau nach dem Dreißigjährigen Krieg wieder aufgenommen. Zwei Herren haben in der
ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts entscheidenden Einfluss auf die Entwicklung des Straßberger Bergbaus und seiner Wasserwirtschaft
genommen: Georg Christoff von Utterodt und Christian Zacharias Koch.
Utterodt war 1701 bis 1709 Berghauptmann in Straßberg. Bei seinem Amtsantritt hatte die Wasserwirtschaft des Straßberger Bergbaus
noch den Stand von etwa 1610. Er ließ 1703/04 den "Schindelbrücher Kunstgraben", vom "Gräfingründer Teich" zum "Faulen Pfützenteich"
sowie zwischen 1703 und 1707 sechs Kunstteiche (zus. ca 380 000m³ Fassungsvermögen) und je zwei Kunstgräben im "Rödelbach- und Glasebachtal"
bauen. Der "Schindelbrücher Kunstgraben" ist der älteste des "Unterharzer Teich- und Graben- systems" und konnte seiner Zeit alle
Straßberger Teiche versorgen.
Der ehemalige Clausthaler Markscheider C. Z. Koch war 1712 bis 1755 Bergwerksdirektor in Straßberg. Er führte das Werk Utterodts
fort und entwickelte es im Stil des Oberharzer Bergbaus weiter. Er baute mit dem "Frankenteich" (1724) und dem "Glasebacher Teich"
(1716) die größten Teich des Unterharzes (rund 800 000m³ Stauvolumen). Die Kunstgräben im "Rödelbach- und Glasebachtal" wurden auf
drei, übereinander liegende Niveaus erweitert. Es erhöhte sich nicht nur die Zahl der Gruben, sondern es wurden auch größere Teufen
von über 200m erreicht. Der "Hüttenstollen" wurde zum zentralen Lösungsstollen verlängert.
Die Vergrößerung der Staukapazität und die ausgeklügelte Trassierung der Gräben konnte das Problem des häufigen Wassermangels nicht
verhindern.
Koch hatte daher auf das niederschlags- und quellenreiche Einzugsgebiet der "Thyra" ein Auge geworfen. 1724 wurde er beim
Gräflichen Bauamt in Stolberg vorstellig. Er wollte den "Schindelbrücher Kunstgraben" in das Gebiet der "oberen Lude" verlängern, was die
Stolberger Bürger rund zwei Jahrzehnte verhinderten. Sie hatten Angst um ihre Hauswasserversorgung und das Brauchwasser ihrer Betriebe
an "Lude" und "Thyra".
1726 begann Koch mit dem Grabenbau, als "Schwarzbau" so zu sagen, denn er hatte immer noch keine gräfliche Genehmigung. Bis 1736 war alles,
bis auf die "Luden- rösche" (Verbindungsstück zum "Schindelbrücher Kunstgraben") fertig. Erst 1745 konnte diese Rösche aufgefahren und das
ganze Projekt vollendet werden. Der Graben hieß nun "Ludengraben". Der Ausbau der Straßberger Wasserwirtschaft war nur abgeschlossen.
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Eines der ältesten Denkmale der Straßberger Wasserbaukunst- der "Rieschengraben. 1610 schon als "oberer Rödelbachgraben" genannt.
Er wird heute noch aus der "Kilianstalsperre" gespeist und als bergbauliches Denkmal er- halten.
Um 1750 hatte das Straßberger Revier folgende wasserwirtschaftlichen Anlagen. Ludengraben der die Wasserscheide zwischen "Thyra" und
"Selke" in zwei Röschen quert, 10 Kunstteiche (Rödelbachtal 7, Glasebachgebiet 3) mit einem Fassungsvermögen von zusammen rund 1,2 Millionen
Kubikmeter, 6 Kunst(Hang-)gräben- in jeweils drei übereinander liegenden Ebenen im Rödelbach- und Glasebachtal. Sie versorgten die Radkünste,
die Bewetterungsanlagen und Poch- werke mit Aufschlagwasser. Außerdem dienten sie der Hauswasser- und Löschwasserversor- gung von Straßberg.
Der "Hüttenstollen" ent- wässerte die Hauptschächte in und südlich von Straßberg. Die anderen Bergwerke hatten eigene kurz Lösungsstollen.
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Das Wasserrad der Grube "Glasebach" konnte zum Beispiel von zwei Seiten mit Aufschlagwasser versorgt werden. Einmal von den Teichen
im Glasebacher Gebiet (rechtes Bild hinterer Pfeil) und zum Anderen aus dem Rödelbachtal. Im linken Bild kommt der Graben um einen
Bergrücken aus Richtung Straßberg. Diesem ehemaligen Graben kann man auch bis Straßberg folgen.
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Dieses optimale KOCH/UTTERODTsche Teich- und Grabensystem konnte der Straßberger Bergbau aber nicht lange nutzen. Der "Siebejährige Krieg",
perso- nelle und finanzielle Probleme und an- dere Schwierigkeiten führten zum all- mählichen Niedergang. Dazu kam, das entsprechend
eines Vertrages zwischen "Anhalt-Bernburg" und "Stolberg-Stolberg", 1761/62 der "Ludegraben" nach Osten in den anhaltischen Harz
verlängert wurde. Der "Anhaltische oder Lange Graben" konnte so günstig ge- baut werden, das er einerseits den "Grenzteich" an der
"Schmalen Wipper" und andererseits den "Birnbaumteich" im "Selkegebiet" Wasser zuführen konnte. Von der Straße, in Höhe des
"Treue Nachbar-Teichs" ist der Graben zu sehen. Auf Grund einer Senke im Gelände ist er hier als "Dammgraben" ausgeführt (rechts im Bild).
Der Graben lässt sich über weite Strecken auch heute noch verfolgen.
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Der Bergbau im "Birnbaum Revier" wurde 1742 wieder aufgenommen. Der "Birnbaum- teich", 1699 als Hüttenteich angelegt, ver- sorgte nun
die Künste der Hauptschächte des Reviers. Vom Damm des "Birnbaum- teiches" links in´s Tal hinunter gehen und man kommt zum
"Hellergrund". Hier kann man, an den "Radstuben" und "Lichtlö- chern" vorbei wieder hinauf zum "Birn- baumer Revier" steigen.
Die herauf gepumpten Grubenwasser flossen über den "Tiefen Birnbaumstollen" ab. Das Stollenmundloch liegt am Anfang des
"Birnbaumgrundes", mit einer Tafel gekennzeichnet, kurz vor der Straße Silberhütte - Straßberg.
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Ab 1744 ging auf dem "Pfaffenberg" (Neudorf) wieder Bergbau um. Die Radkunst, 1760 gebaut, wurde vom "Grenzteich" versort.
!761 wurde dieser vergrößert und an den "Anhaltischen Graben" angeschlossen. Auf der Selkeseite endete dieser Graben ab 1779
im "Kalbsaugenteich" (oberes Birnbaumtal). Er war erst Zusatzspeicher für den "Birn- baumteich" dann nutzten ihn die Neudorfer Schächte.
Eigentlich besagte der Vertrag von 1761, das nur vom Straßberger Bergbau nicht benötigtes Wasser in´s "Anhaltische" abgegeben werden
durfte. Dem Anhaltischen Bergbau kam es sehr zu pass, das der Straßberger Bergbau um 1780 fast zum Erliegen kam und die Teiche hauptsächlich
zur Fischzucht genutzt wurden. 1793 kaufte "Anhalt-Bernburg" das Straßberger Bergwerk und alles Wasser wurde in´s "Anhaltische" weiter
geleitet. Der Straßberger Bergbau mußte mit dem Wasser aus dem Einzugsgebiet von "Rödel- und Glasebach" auskommen.
Ein Rechtsstreit von 1856 verhalf "Stolberg" wieder zur Inbesitznahme des Straßberger Bergwerks aber die Wassernutzungsrechte
blieben bei "Anhalt". Nur entbehrliches Wasser sollte abgegeben werden, was natürlich nie eintrat.
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Neudorfer Gemeindeteich
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Rösche am Pfaffenberg
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1792/93 begann der Ausbau der Wasserhaltung der Neudorfer Reviere. Der "Anhaltische Graben" wurde 1793 bis zum "Neudorfer Gemeindeteich"
verlängert. Er diente der Was- serversorgung der "Meiseberger Radkunst" und auch der 1764 für den "Pfaffenberg- schacht" angelegte
"Neudorfer Kunstteich" (heute Gondelteich) erhielt zusätzlich Lude- wasser. Die Wasserlösung erfolgte über den
"Alten Wipper- oder Pfaffenbergstollen".
Für die beiden Neudorfer Hauptschächte entstanden zwischen 1792 und 1830 acht Aufschlagröschen. Bis dahin wurden die Radkünste mit
Aufschlaggräben und Feld- gestängen betrieben.
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"Röschen" sind bergmännisch aufgefahrene Stollen. Die beiden Hauptschächte erhielten nun untertägige "Radkünste". In der zweiten Hälfte des
19. Jahrhunderts verlängerte man den "tiefen Birnbaumstollen" aus dem Selkegebiet bis in die Neudorfer Reviere. Der "tiefe Birnbaumstollen"
lag in den beiden Schächten 35 bzw. 45 m tiefer als der "Wipper- stollen".
Das Problem in den Neudorfer Revieren war, das die Schächte 220- 350 m Teufe erreich- ten und daher viel Aufschlagwasser
benötigten. Die Pumpensätze waren in zwei Ebenen eingebaut. Die oberen Strecken entsorgten das Wasser über den "Wipperstollen"
und die tiefen Strecken über den "Birnbaumstollen".
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"Kehrrades" bei der Förderung
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Auch für die unterirdische Erzförderung und Erzwäsche wurde Aufschlagwasser benötigt. Obwohl alles Wasser sehr rationell eingesetzt
wurde, traten häufig Wasserklemmen ein. Deshalb wurden 1837/38 und 1860 Dampfma- schinen für die Wasserhebung in Zeiten knappen
Wassers angeschafft. Unterhalb des "Pfaffen- bergschachtes" steht eine Infotafel über den Standort einer Dampfmaschine.
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Der Neudorfer Bergbau endete 1903 und das Grabenwasser fand keine Verwendung mehr. Der Graben wurde 1903/04 ein letztes Mal verlängert
und er endete jetz im "Siebengrund", dem Einzugsgebiet des "Teufelsteiches". Das Stück hieß nun "Sieben- gründer Graben". Das Teilstück nach
Neudorf wurde trocken gelegt.
Die Teiche im "Teufelsgrund": Teufelsteich, Fürstenteich und Silberhütter Pochwerks- teich, wurden nun zusätzlich mit
"Lude- und Rödelbachwasser" versorgt. Der ganze Graben, von der "Lude" an, hieß nun "Silberhütter Kunstgraben", obwohl
es im berg- männischen Sinne kein "Kunstgraben" mehr war. Es gab keine "Künste" mehr.
Das Werk in Sliberhütte, das noch Grabenwasser verwendete ging 1910 in Konkurs. Der vom "Teufelsteich" ausgehende Aufschlaggraben
fand noch bis 1939 für den Turbinen- antrieb zur Stromerzeugung in Silberhütte verwendung.
Ab 1910 hatte der Grabenwärter des "Silberhütter Kunstgraben" seine Arbeit eingestellt, Bacheinmündunge wurden durchbrochen
und es floß kein Wasser mehr zwischen "Lude" und dem "Siebengrund".
Nach mehr als 300 Jahren war die Geschichte des "Unterharzer Teich- und Graben- systems" beendet.
Die Gesamtlänge aller acht Teilgräben betrug 27,1km. Neun Wasserscheiden wurden gequert (5 durch Röschen). Die sechs
Straßberger Kunstgräben (15km), drei Neudorfer Kunstgräben (3km), acht Neudorfer Aufschlagröschen (1km) und der
Birnbaumer Kunst- graben (1km) ergaben eine Länge von 20km. Das sind also zusammen 47,1km. Es be- standen 21 Teiche mit
1,75Millionen m³ Stauraum, allein 1,66m³ im Selkegebiet. Die sechs Hauptstollen hatten eine Länge von 10,5km.
Viele ehemalige bergbauliche Einrichtungen sind erhalten und durch Infotafeln gekenn- zeichnet. Sie stehen unter
Denkmalschutz. Bergbaulehrpfade sind ausgeschildert. Die verbliebenen Teiche dienen vorwiegend der Trinkwasserversorgung
und dem Hoch- wasserschutz.
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Ein kleine Hilfe, um die Umgebung von "Neudorf" zu erkunden, finden Sie unter:
Neudorfer Bergbauwanderweg
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Besuchen Sie auch das "Besucherbergwerk Grube Glasebach" in "Straßberg". Sie lernen dort den Altbergbau aus dem 18. Jahrhundert
kennen. Dort erhalten Sie auch Informationsmaterial zu thematischen Wanderungen um "Straßberg".
Die "Grube Glasebach"
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